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#7thesen: Der Algo-Rhythmus, mit dem man mit muss

Die Medienbranche steht nicht still, rasante Veränderung lässt deshalb einmal im Jahr tausende von Medienmachern und Medienmacherinnen an einem Ort zusammenkommen – den Medientagen in München, Europas größtem Medienkongress. In diesem Jahr fanden sie bereits zum 30. Mal statt. Welche Trends, Entwicklungen und Risiken diskutiert wurden, möchte ich auch in diesem Jahr in #7thesen zusammenfassen. 

1. Es wird persönlich

“Mobile and Me: Wie das Ich die Medien steuert”. Unter diesem Motto standen die diesjährigen Medientage. Doch steuern wir die Medien oder die Medien uns? Im Moment neigen viele Medienunternehmen, sich auf Algorithmen zu verlassen.

Algorithmen, die computergesteuert die besten Vorschläge für Texte liefern und personalisierten Content erstellen, alles basierend auf Daten aus unserem Nutzungsverhalten und Angaben. Der innere Zwiespalt, der dabei aufkommt:

Während gerade im Online-Bereich der Einsatz von Algorithmen zunehmen wird, ist im klassischen Fernsehen der Bedarf danach nicht so groß:

Überhaupt scheint es starke Meinungsverschiedenheiten über den Einsatz von Algorithmen zu geben. Viele Medienmacher sind der Überzeugung, dass die gesammelten Daten niemals die Auswahl von Menschen ersetzen können.

Hinzu kommt, dass Algorithmen natürlich auch eine gewisse Gefahr bergen, Filterblasen sind hier ein ganz großes Stichwort. Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, wurde zum Jubiläum des Kongresses eingeladen und hielt die Eröffnungsrede, bei der unter anderem genau dieses Thema angesprochen wurde:

Foto: MEDIENTAGE MÜNCHEN

Die Kanzlerin bei ihrer Rede (Foto: MEDIENTAGE MÜNCHEN)

“Algorithmen lassen uns glauben, alle anderen hätten die gleiche Meinung wie wir. Ich fordere darum mehr Transparenz darüber, wie Inhalte gefiltert werden” – Angela Merkel

Algorithmen sind aber erst der Anfang. Auf den diesjährigen Medientagen wurde auch viel über künstliche Intelligenz und den sogenannten Robotic-Journalism gesprochen. Dabei werden Texte ausschließlich von Maschinen verfasst. Die These: Gerade in datengetriebenen Bereichen (wie der Wirtschaft, Finanzmarkt o.ä.) ist es möglich, Texte vollautomatisch schreiben zu lassen, sodass Journalisten sich auf andere, tiefergehende Recherche begeben können. Nach aktuellen Untersuchungen könnten in Tageszeitungen schon über 50 Prozent durch maschinell-verfasste Texte ersetzt werden.

2. Es wird realer 

Nachdem Virtual Reality lange im Games-Bereich erfolgreich war, wurde sich jetzt über den Einsatz in Film & Fernsehen ausgetauscht. Im Messebereich konnten die verschiedensten Virtual-Reality-Angebote getestet werden.

Werden wir in ein paar Jahren so vorm TV sitzen?

Der Selbsttest: Werden wir in ein paar Jahren so vor dem TV sitzen?

Ich bin der Meinung für Kurzfilme oder zu besonderen Anlässen ist VR für wenige Minuten spannend. Für ganze Fernsehprogramme und Spielfilme wird entweder noch viel Zeit vergehen, bis es markttauglich ist beziehungsweise wird es auch nie dazu kommen. Aus ganz vielen Gründen heraus: Angefangen bei aufwändigen Produktionen bis hin zum körperlichen Unwohlsein durch Reizüberflutung auf längere Dauer. Diese Ansichten teilen auch große Fernsehanstalten:

3. Es wird kurz und geistlich 

Jetzt habt ihr euch sicher was ganz anderes unter der Überschrift vorgestellt, aber es geht um den kleinen Geist am gelben Hintergrund, Snapchat. Über alle Panels hinweg wird Snapchat als der nächste “Hot Shit” verkauft. Es bietet so viele Möglichkeiten, seine Marke, sein Unternehmen und sich selbst zu präsentieren. In Deutschland sind rund 4 Millionen Nutzer jedes Monat aktiv, 90% davon sind zwischen 15 und 34 Jahren alt (Vgl. Hanna Lauwitz, ZDF). Das ermöglicht natürlich an Zielgruppen ranzukommen, die so mit anderen Angeboten nicht erreicht werden können. Dabei zählt natürlich immer eines:

Kein Tag ohne Snapchat: Auch ich nutze sehr gerne die App, um Momente festzuhalten und zu teilen

Kein Tag ohne Snapchat: Auch ich nutze sehr gerne die App, um Momente festzuhalten und zu teilen

Thomas Cilius Hansen, CEO von Snaplytics, fasst das Phänomen Snapchat ganz gut zusammen: Für einen LIvestream ist das Leben zu langweilig, aber 10 oder ein Vielfaches von 10 Sekunden kann ich spannend gestalten. Ganz eng mit der rasanten Entwicklung von Snapchat – in den USA ist es schon das beliebteste soziale Netzwerk – hängt auch die Entwicklung von uns Medienmachern zusammen, die neue Wege bestreiten müssen.

4. Es wird Zeit, groß zu denken 

Wir haben viel zu viel Angst und trauen uns viel zu wenig zu. Das ist eine Kernbotschaft, die viele Speaker von sich geben:

In mehreren Case-Studies erklärten Unternehmer, dass sie sich selbst zu wenig zugetraut hatten und das der falsche Weg ist. Die New York Times, die im Moment ein Vielfaches im Vergleich zu anderen Zeitungen einnimmt und ihr Paywall-Modell erfolgreich am Markt platziert hat, ist ein interessantes Beispiel für das große Denken. Oder BILD.de, das in den vergangen 3,5 Jahren über 338.000 Nutzer gefunden hat, die für BILD Plus zahlen. Das sind Zahlen, die keiner den Medien vorab zugetraut haben. Diese Medien haben aber einfach gemacht, ausprobiert, geschaut, evaluiert und sind am Ende damit richtig gelegen: Think big!

5. Es wird friedlich nebeneinander gearbeitet

Wie oft haben wir schon gehört, dass Netflix und Amazon (und andere Video on Demand-Dienste) das Fernsehen kannibalisieren und zerstören werden. In diesem Jahr klingt das auf den Medientagen ganz anders. Fernsehanstalten sehen nicht die VoD-Dienste als Konkurrenten, sondern als Ergänzungen, schließlich erfüllen sie noch immer unterschiedliche Bedürfnisse. Während auf den Online-Plattformen vor allem der Serien- und Filmgenuss im Vordergrund steht, bieten das Fernsehen in seiner Gesamtheit mit Informations- und Unterhaltungsprogrammen etwas Anderes an. Überspitzt fasst Moderatorin Jeannine Michaelsen das am TV-Gipfel so zusammen:

Der TV-Gipfel, moderiert von Jeannine Michaelsen (Foto: MEDIENTAGE MÜNCHEN)

Der TV-Gipfel, moderiert von Jeannine Michaelsen (Foto: MEDIENTAGE MÜNCHEN)

Bei einem sind sich aber alle einig: Video ist das Wichtigste! Egal, ob in sozialen Netzwerken oder sonst wo. Sandra Thier, Moderatorin und Agentur-Besitzerin, fasst das folgendermaßen zusammen:

6. Es wird Zeit aufzuwachen, Österreich

“In München werden Dinge für die Zukunft der Medienbranche disktutiert, die in Österreich noch lange kein Thema sein werden. Traurig eigentlich”

Genauso habe ich letztes Jahr schon in den #7thesen das Problem beschrieben: Wir hinken einfach hinterher. Und in diesem Jahr ist es noch schlimmer geworden. Gerade Themen wie VR, künstliche Intelligenz und ähnliches werden in Österreich noch lange keine Relevanz haben. Ich frage mich: Sind wir eine Alpen- oder doch eine Bananenrepublik?

Im Gespräch mit mehreren heimischen Medienmachern im Laufe der drei Tage wird aber klar, die Probleme, die hier aufgezeigt werden oder Entwicklungen, die wir als junge Medienmacher erkannt haben, tauchen in den engen, festgefahren und teilweise veralteten Strukturen der traditionellen Unternehmen und deren Produzenten nicht auf. Mein Lieblingssatz in einem Dialog mit heimischen Kollegen: “Oh, so haben wir das noch gar nicht betrachtet”

Vielleicht mal die Augen aufmachen: Vorläufer sein, anstatt immer zu spät, den internationalen, aber auch deutschen Entwicklungen nachzulaufen. Da wären wie wir bei Punkt 4: Think Big! Mein passendster Satz der ganzen Veranstaltung dazu:

7. Es wird geschmackvoll 

Und zum Schluss noch was für den guten Geschmack: Vergesst Katzenbabys und süße Kinderfotos, Käse ist der neue Click-Generator. Marlene Kamrath von futtern, einem Teil der BILD-Gruppe, betreut seit einigen Monaten einen Online-Foodchannel – einer von ganz vielen im Moment – und fährt damit ganz gut, die Klickzahlen sprechen für sich. Möchte man möglichst viele Leute erreichen, braucht man Käse:

Auf den Medientagen wurde in einem Panel live eines der foodporn-Videos von Marlene Kamrath produziert und am gleichen Nachmittag noch hochgeladen – ohne Käse in diesem Fall.

Ihr werdet euch jetzt denken, das ist doch alles Käse. Ganz im Gegenteil: Auf den Medientagen wird frühzeitig über künftige Entwicklungen gesprochen, sodass man für die kommenden Entwicklungen bereit ist. Das ist eben der (Algo)Rhythmus, mit dem man mit muss.


Snapchat, Instagram, Twitter: @mariohanousek 

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